Ein am 02.03.2022 verkündetes Urteil des LG Stuttgart, Az.: 27 O 299/17, wirft Zweifel an der Wirksamkeit der Haftungsbegrenzungsvereinbarung auf, die in den von Wirtschaftsprüfern oftmals verwendeten AAB des IDW-Verlags enthalten ist.

Im entschiedenen Fall wurde ein Wirtschaftsprüfer in mehreren Jahren für die Klägerin, ein produzierendes Unternehmen, im Zusammenhang mit der Begrenzung der EEG-Umlage tätig. Der Wirtschaftsprüfer erstellte die hierfür erforderlichen Gutachten bzw. Bescheinigungen. Voraussetzung für die Begrenzung der EEG-Umlage war jeweils der Nachweis des über einem bestimmten Schwellenwert liegenden Stromverbrauchs sowie des Überschreitens eines definierten Stromkostenanteils an der Bruttowertschöpfung des Unternehmens (sog. Stromkostenintensität).

Im Antragsjahr 2013 schlossen der Wirtschaftsprüfer und die Klägerin einen Auftrag über die vom Wirtschaftsprüfer zu erstellende Bescheinigung gemäß § 41 EEG 2012 unter Einbeziehung der AAB des IDW-Verlags. Anders als in vorangegangenen Jahren befüllte die Klägerin die Antragstabellen zur Berechnung der Bruttowertschöpfung nicht selbst mit Daten, sondern übermittelte dem Wirtschaftsprüfer hierzu Unterlagen, auf deren Grundlage dieser die Bruttowertschöpfung und Stromkostenintensität berechnete. Die vom Wirtschaftsprüfer erstellte Bescheinigung gemäß § 41 EEG reichte die Klägerin nebst einem Antrag zur Begrenzung der EEG-Umlage beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ein, welches antragsgemäß den Begrenzungsbescheid für 2014 erließ.

Wie in den Vorjahren hatte der Wirtschaftsprüfer der von ihm erstellten Bescheinigung irrigerweise den Stromverbrauch des gesamten Produktionsstandorts der Klägerin zugrunde gelegt. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Informationen hätte ihm aber auffallen müssen, dass die Klägerin den von ihr bezogenen Strom teilweise nicht selbst verbraucht, sondern an zwei Tochtergesellschaften weitergeleitet und weiterbelastet hatte. Durch die fehlerhafte Bescheinigung gemäß § 41 EEG war die zugunsten der Klägerin durchgeführte Begrenzung der EEG-Umlage ungerechtfertigt übersetzt. Im weiteren Verlauf wurde dieser Umstand aufgedeckt und die überhöhte Begrenzung durch gegen die Klägerin erlassene Rückforderungsbescheide des BAFA rückabgewickelt.

Das LG Stuttgart stellte in seinem Urteil fest, dass der Wirtschaftsprüfer durch die fehlerhafte Bescheinigung gemäß § 41 EEG der Klägerin einen ersatzfähigen Schaden zugefügt habe, da sich durch eine alternative Vorgehensweise im Rahmen der Antragstellung gegenüber dem BAFA eine nahezu gleich hohe Begrenzung der EEG-Umlage ohne das Risiko der Rückforderung hätte erzielen lassen.

Die gesetzliche Haftungsbegrenzung des § 323 Abs. 2 HGB a.F. sah das LG Stuttgart als nicht einschlägig an, weil das Mandatsverhältnis der Parteien sich nicht auf die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung für die Besondere Ausgleichsregelung nach dem EEG beschränkt hatte, sondern zwischen den Parteien ein weiteres Mandatsverhältnis begründet worden sei, indem der Wirtschaftsprüfer im Antragsjahr 2013 die Berechnung der Bruttowertschöpfung der Klägerin und daraus abgeleitet die Stromkostenintensität selbst vorgenommen hatte. Aus diesem gesonderten Mandatsverhältnis hafte der Wirtschaftsprüfer der Höhe nach unbegrenzt.

Des Weiteren hielt das LG Stuttgart die Regelung in Ziffer 9 Abs. 2 Satz 1 AAB, wonach die Fahrlässigkeitshaftung des Wirtschaftsprüfers auf 4 Mio. € im Einzelfall – das Vierfache der Mindestversicherungssumme – begrenzt wurde, für unwirksam.
Dabei stellte das LG Stuttgart maßgeblich darauf ab, dass die Regelung in Ziffer 9 Abs. 2 AAB über die Vorgaben des § 54a Abs. 1 Nr. 2 WiPrO hinausgeht, indem nicht lediglich Ansprüche aus „bestehenden Vertragsverhältnissen“ (§ 54a Abs. 1 WiPrO) der Höhe nach begrenzt werden, sondern „Schadensersatzansprüche jeder Art“ – mit Ausnahme der Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit -, wodurch auch deliktische Schadensersatzansprüche erfasst werden. Aufgrund des insoweit überschießenden Charakters der Regelung in Ziffer 9 Abs. 2 AAB 2002 unterliege diese der vollen Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Der Inhaltskontrolle halte sie nach dem Rechtsgedanken des § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB aber nicht stand, weil die AAB-Haftungsbegrenzung auch grob fahrlässige Pflichtverletzungen umfasse.

Schließlich sah das LG Stuttgart auch die sog. Serienschadensklausel in Ziffer 9 Abs. 2 Satz 3 und 4 AAB, wonach mehrfaches auf gleicher Fehlerquelle beruhendes Tun oder Unterlassen als einheitliche Rechtshandlung gilt und dadurch die Haftung des Wirtschaftsprüfers auf eine Gesamtsumme von 5 Mio. € begrenzt wird, als unwirksam an.
Denn zum einen liege ein Verstoß gegen die Regelung § 54a Abs. 1 Nr. 2 WiPrO zur Begrenzung der Haftung des Wirtschaftsprüfers durch allgemeine Geschäftsbedingungen vor, da diese keine Möglichkeit vorsehe, mehrere selbständige Schadensersatzansprüche durch die Fiktion ihrer Einheitlichkeit einer gesonderten Haftungshöchstgrenze zu unterwerfen.
Zum anderen halte Ziffer 9 Abs. 2 Satz 3 und 4 AAB der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307, 310 BGB nicht stand. Die Klausel benachteilige den Vertragspartner des Wirtschaftsprüfers jedenfalls deshalb unangemessen, weil aufgrund jeweils gesonderter Aufträge begründete Schadensersatzansprüche allein deshalb zusammengefasst und einer einheitlichen Höchstgrenze unterworfen würden, weil dem Wirtschaftsprüfer fortlaufend derselbe Fehler unterlaufe. Die Klausel führe im Ergebnis dazu, dass der fortlaufend mit einem bestimmten Gegenstand mandatierte Wirtschaftsprüfer für die Wiederholung seines Fehlers trotz erneuten Mandats überhaupt nicht mehr hafte, sofern die Schadenssumme von 5 Mio. € bereits durch die Fehler der Vergangenheit erreicht seien und ihm nicht Vorsatz zur Last falle. Das benachteilige den Mandanten unangemessen, welcher seinerseits durch die fortlaufende Mandatierung verpflichtet werde, diese stets erneut zu vergüten.

Aufgrund des dargestellten Urteils des LG Stuttgart ist die Wirksamkeit vieler von Wirtschaftsprüfern vereinbarter Haftungsbegrenzungsvereinbarungen zumindest zweifelhaft. Ob sich die vom LG Stuttgart vertretene Auffassung durchsetzt, bleibt abzuwarten.

Den Berufsträgern kann nur geraten werden, den sichersten Weg zu beschreiten und bei der Vereinbarung von Haftungsbegrenzungen die Vorgaben des LG Stuttgart zu berücksichtigen. Aufgrund unserer Erfahrung insbesondere bei der Bearbeitung von Schadenfällen leisten wir bei Bedarf gerne Hilfestellung.

Geschäftsführer

Wolfgang H. Abels

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