Abschlussprüfer haften (insbesondere in der gesetzlichen Abschlussprüfung) pro Prüfung (für eine Prüfung) und geprüftem Unternehmen (§ ö 275 Abs 2 UGB/§ d 323 Abs 2 HGB). Kommt es zu grundlegenden Fehlannahmen bei der Prüfung des Jahresabschlusses eines Unternehmens, kann sich ein (wesentlich) fehlerhaftes Jahresabschlussprüfungsurteil und daraus folgend ein erteiltes Testat auf eine Vielzahl an Prüfjahre erstrecken. Nicht zuletzt die (aktuell) großen Bilanzskandale in Deutschland mit Wirecard und Österreich mit der Commerzialbank Mattersburg zeigen, dass sich infolge behaupteter oder bestehender Prüfungsfehler die Geltendmachung von Schadenersatz gegen den Abschlussprüfer im Rahmen der jeweils geltenden Höchsthaftungsgrenzen (seit Inkrafttreten des FISG in Deutschland ab dem gesetzlichen Jahresabschlussprüfjahr 1.1.2022 bis 31.12.2022 jeweils mit beträchtlichem Steigerungspotenzial im Bereich der Höchsthaftungsgrenzen) auf viele zeitlich aneinander gereihte Prüfjahre erstrecken kann.

Der Abschlussprüfer geht davon aus, dass die Deckung seiner Berufshaftpflichtversicherung der Haftung als Abschlussprüfer folgt. Haftet also der Abschlussprüfer je Prüfung für ein geprüftes Unternehmen, und dies für viele Prüfjahre zeitlich aneinandergereiht, geht er davon aus, dass auch die vertraglich vereinbarte Versicherungssumme je Prüfung, und dies über viele Jahre hinweg, zur Verfügung steht. Diese an sich selbstverständliche Annahme wurde vor dem österreichischen Obersten Gerichtshof zu einem deckungsrechtlichen Streitfall (siehe OGH 7 Ob 20/22z) (zu dieser Entscheidung siehe Michtner, Kein Serienschaden bei jährlicher Abschlussprüfung, ZVers 2022, 204).

Der Versicherer (des Großschaden-Kammervertrages der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer) wollte einem versicherten Mitglied die Versicherungssumme als Abschlussprüfer in Höhe von knapp mehr als € 2 Mio. für fünf aneinandergereihte Prüfjahre nicht fünfmal zur Verfügung stellen, sondern nur einmal (die Deckungsklage wurde vorsorglich eingebracht und war nicht Folge einer bereits rechtskräftig festgestellten Haftung). Der Versicherer behauptete, es würde aufgrund eines anfänglichen Prüfungsfehlers dem Grunde nach (im konkreten Fall ging es um die fehlerhafte Bewertung und Überprüfung von Waldflächen und Baumbeständen eines börsennotierten Holzunternehmens) entweder ein Dauerverstoß vorliegen oder ein Serienschaden gemäß der im Versicherungsvertrag vereinbarten Serienschadenklausel. Da sich dieser Fehler über viele Jahre zur Abschlussprüfung dieses Unternehmens zog, müsse der Versicherer in diesem (potenziellen) Versicherungsfall die Versicherungssumme auch nur einmal zur Verfügung stellen.

Die streitgegenständliche Serienschadenklausel lautete (gleichermaßen im österreichischen wie auch deutschen AVB-Recht) (für Deutschland siehe auch die Maßgabe des § 54 Abs 2 S 3 WPO): Die Versicherungssumme steht nur einmal zur Verfügung, wenn „mehrere Verstöße auf einer gleichen oder gleichartigen Fehlerquelle/Ursache beruhen“, und wenn zwischen diesen Ursachen/Verstößen „ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang“ besteht; auf das im Großschaden-Kammervertrag der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer noch zusätzlich benannte Verklammerungselement des technischen Zusammenhangs wird hier mangels Relevanz nicht weiter eingegangen) (insgesamt zur Serienschadenklausel in der Berufshaftpflichtversicherung der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer für Deutschland siehe auch Gräfe/Brügge/Melchers, Berufshaftpflichtversicherung für rechts- und steuerberatende Berufe3 [2021] B Rz 99; für Österreich Wilhelmer, Berufshaftpflichtversicherung. Zur Haftungsvorsorge für rechts- und wirtschaftsberatende Berufe  [2022] Rz 2065). Für den betroffenen Abschlussprüfer hätte die Sichtweise des Versicherers einen massiven Deckungseinwand sowie eine erhebliche Deckungsverkürzung zur Folge gehabt. Bei einer potenziellen Haftung in Höhe von € 10 Mio. hätte der Versicherungsnehmer nur Anspruch auf die einmalige Auskehrung der Versicherungssumme in Höhe € 2 Mio.    

Der Abschlussprüfer klagte den Versicherer (vorsorglich) auf Deckung. Das Argument eines Dauerverstoßes konnte im Deckungsprozess rasch entkräftet werden, zumal über fünf Jahre hinweg (auf Basis eines jährlich abgeschlossenen Prüfungsmandates) selbstständige Prüfpflichten bestanden und insofern die Prüfungsfehler verstoßrechtlich immer wieder neu gesetzt wurden. Es lagen deshalb zweifellos mehrere Verstöße vor. Diese Ansicht entspricht auch der bisherigen herrschenden Meinung im Schrifttum (zur Berufshaftpflichtversicherung etwa der Steuerberater siehe Gräfe/Brügge/Melchers, Berufshaftpflichtversicherung3 B Rz 78 ff; Diller, Berufshaftpflicht-versicherung für Rechtsanwälte2 [2017] § 2 Rz 17; Wilhelmer, Berufshaftpflichtversicherung Rz 2035; Michtner, ZVers 2022, 205) sowie der Rechtsprechung (siehe BGH VersR 1991, 873; GI 1991, 249; OLG Saarbrücken VersR 1991, 457).

Auch der Einwand des Versicherers, es läge zwischen den jährlichen Prüfaufträgen ein rechtlicher Zusammenhang im Sinne der Serienschadenklausel vor, war letztlich nicht zutreffend, zumal der Begriff des rechtlichen Zusammenhangs nach der (auch bisherigen) herrschenden Meinung im Schrifttum (siehe Fenyves, Die rechtliche Behandlung der Serienschadenklausel in der Haftpflichtversicherung [1988], 37; Hartmann/Jöster in Höra, MAH Versicherungsrecht4 [2017] § 22 Rz 242; v. Rintelen in Beckmann/Beckmann-Matusche, Versicherungsrechts-Handbuch3 [2015] § 26 Rz; Diller in Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung2 [2015] AVB-V 3 Rz 92; Wilhelmer, Berufshaftpflichtversicherung Rz 2154) sowie Rechtsprechung (OGH 7 Ob 17/21g) mit dem rechtlichen Mandat abgegrenzt wird (das Mandatsverhältnis gilt im Übrigen auch in der deutschen Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte und Notare als Anknüpfungspunkt für die Umschreibung des Serienschadens; demnach liegt ein Serienschaden vor, wenn mehrere Verstöße innerhalb eines „einheitlichen Auftrags“ oder auf eines „einheitlichen Amtsgeschäftes“ gesetzt werden; vgl. statt vieler nur Gräfe/Brügge/Melchers, Berufshaftpflichtversicherung3 B Rz 98). Da im Fall der Abschlussprüfung (unstrittig) vom geprüften Unternehmen jährlich jeweils ein eigenständiges Prüfmandat erteilt wird, lagen unstrittig auch jeweils selbstständige Mandate vor. Mehrere Prüfmandate im Rahmen zeitlich aneinandergereihter Prüfungen eines Unternehmens konnten insofern keinen rechtlichen Zusammenhang und daher keinen seriellen Zusammenhang begründen.

Das Hauptargument des Versicherers im Deckungsprozess stützte sich letztlich darauf, ein erstmaliger Grundannahmefehler des Abschlussprüfers, der sich in mehreren zeitlich aufeinanderfolgenden Jahresabschlussprüfungen hinweg niederschlage und wiederhole (im konkreten Fall ging es unter anderem um ein Gutachten bei der Erstprüfung, das Waldflächen und Baumbestände durch unzutreffende Berechnungsmethoden falsch erhoben haben soll), begründe einen wirtschaftlichen Zusammenhang, weshalb der Versicherer deshalb die Versicherungssumme nur einmal leisten müsse. Der Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs ist in der Tat bisher weder im Schrifttum, noch in der Rechtsprechung dem Grunde näher vertiefend durchdrungen und inhaltlich abgegrenzt worden (siehe dazu nur Gräfe, Die Serienschadenklausel in der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, NJW 2003, 3673 ff; Gräfe/Brügge/Melchers, Berufshaftpflichtversicherung3 D Rz 435 ff; für einen umfassenden Interpretationsversuch anhand diverser Praxisbeispiele hingegen jüngst Wilhelmer, Berufshaftpflichtversicherung Rz 2167 ff). Insofern brachte die Entscheidung des OGH zu 7 Ob 20/22z zu einigen Detailfragen des Begriffs des wirtschaftlichen Zusammenhangs in der Berufshaftpflichtversicherung des Abschlussprüfers wichtige Klärungen:

  • Synergieeffekte, die aus der wiederholten Beauftragung desselben Wirtschaftsprüfers zur Prüfung eines Jahresabschluss entstehen, begründen keinen wirtschaftlichen Zusammenhang, auch wenn sich der Arbeitsaufwand des Prüfers bei Wiederbeauftragung reduziert.
  • Der Umstand, dass ein Jahresabschluss zwingend auf der Schlussbilanz des Vorjahres aufbaut und mit der Eröffnungsbilanz des Folgejahres übereinstimmt (Bilanzidentität, ö § 201 Abs 2 Z 6 UGB), begründet keinen wirtschaftlichen Zusammenhang.
  • Gleiches gilt für einmal gewählte Gliederungen und Bezeichnungen in den Bilanzpositionen sowie eine einmal gewählte Bewertungs- und Bilanzierungsmethode. Andernfalls würde bei Testaterteilung zu einem Jahresabschluss aufgrund einer gleichen oder gleichartigen Fehlerursache bei der Prüfung jeweils ein wirtschaftlicher Zusammenhang zu bejahen sein.
  • Auch der Umstand, dass bei mehrjähriger Prüfung eines Unternehmens nicht mehrere Vermögensmassen, sondern immer das gleiche Unternehmen, also eine gleiche Vermögensmasse geschädigt wird, begründet keinen wirtschaftlichen Zusammenhang.

In Summe verneinte der OGH im streitgegenständlichen Deckungsprozess das Vorliegen eines wirtschaftlichen Zusammenhangs und insofern (auch) das Vorliegen eines Serienschadens. Dem auf Deckung klagenden Abschlussprüfer hat der Versicherer daher pro Abschlussprüfung und Abschlussprüfungsjahr seine Versicherungssumme jeweils separat zur Verfügung zu stellen. Die Deckung folgt (auch) der Haftung. Diese Entscheidung des OGH bringt für die Berufshaftpflichtversicherung der Wirtschaftsprüfer in Österreich und in Deutschland eine wichtige Klärung der Rechtslage mit sich. Rechtsprechung des BGH fehlt(e) hierzu noch. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich der BGH (in diesem Fall) dem OGH (wohl) anschließen wird. Die Entscheidung des OGH ist jedenfalls von sachlicher Seite uneingeschränkt zu begrüßen und für die Deckung des Berufsstandes der Abschlussprüfer von fundamentaler Bedeutung.           

                    

Geschäftsführer

Dr. iur. Hermann Wilhelmer

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