Welche Änderungen bringt das FISG für die Berufshaftpflichtversicherung der Wirtschaftsprüfer?

Das zum 01.07.2021 in Kraft getretene FISG bringt auch Veränderungen für Ihre Berufshaftpflichtversicherung als Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Was sollten Sie beachten, um einen „FISG-konformen“
Versicherungsschutz zu erhalten?

Geänderte Haftungsmaßstäbe

Grundsätzlich bleibt das Haftungsprivileg für Wirtschaftsprüfer bei Pflichtprüfungen und sogenannten Verweistätigkeiten nach § 323 HGB erhalten, aber mit höheren Haftungssummen und einer abgestuften Haftung je nach Verschuldensgrad – leichter und grober Fahrlässigkeit. Bei Vorsatz gilt immer eine unbegrenzte Haftung (hierbei ist allerdings unklar, ob sich der Vorsatz nur auf die Pflichtverletzung oder − wie von uns vertreten – nach dem allgemeinen zivilrechtlichen Haftungs-grundsätzen gem. § 826 auf die Pflichtverletzung und auch auf die Schädigung beziehen muss).

Ihre Berufshaftpflichtversicherung bietet Ihnen Versicherungs-schutz bei fahrlässigem Verhalten und zwar sowohl bei leichter als auch bei grober Fahrlässigkeit. Vorsatz (bzw. schon wissentliche Pflichtverletzung) bleibt ausgeschlossen. In der Rechtsprechung sind die Übergänge zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit fließend und eine genaue Abgrenzung schwierig. Die Haftung des Abschlussprüfers bei Pflichtprüfungen unterscheidet sich angesichts der unterschiedlich hohen gesetzlichen Höchsthaftungsgrenzen zukünftig erheblich danach, ob eine leichte oder grob fahrlässige Pflichtverletzung vorliegt. Geschädigte Dritte, insbesondere aber Insolvenzverwalter, werden danach trachten, dem Abschlussprüfer eine grobe Fahrlässigkeit oder allenfalls sogar Vorsatz zu unterstellen, um damit die Haftungsmasse (zum Vorteil der Insolvenzmasse) zu erhöhen. Um eine „Unterdeckung“ im fahrlässigen Haftungsfall auszuschließen, empfiehlt es sich die Versicherungssumme an die neuen Haftungshöchstgrenzen für grob fahrlässiges Verhalten anzupassen.
Die nachfolgenden Beispiele verdeutlichen anhand konkreter Sachverhalte in welchen Fällen die Gerichte eine Unterscheidung vorgenommen haben.

Beispiel für fahrlässiges Verhalten
OLG Düsseldorf vom 18.06.2021 – 22 U 31/20:

Allein durch die Tatsache, dass der WP von den IDW Standards abgewichen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass keine gewissenhafte Prüfung stattgefunden hat. Einfache Fahrlässigkeit wurde festgestellt.Fahrlässigkeit setzt weiter voraus, dass der Schädiger den Eintritt des schädigenden Erfolges voraussehen und vermeiden konnte. Versäumt der Wirtschaftsprüfer eine Frist, ist dies als fahrlässiges Verhalten zu werten. Im Bereich der WP-Haftung indiziert die festgestellte Pflichtverletzung in der Regel zumindest den Verschuldensgrad der Fahrlässigkeit (siehe auch §280 BGB). Eine Exkulpation ist nur in (seltenen) Einzelfällen möglich.

Beispiel für grob fahrlässiges Verhalten
OLG Frankfurt vom 14.08.2014, 6 U 114/08:

Die mehrfachen Pflichtverstöße der Beklagten sind in der Gesamtheit so schwerwiegend, dass die einfache Fahrlässigkeit als deutlich überschritten und die Grenze zur groben Fahrlässigkeit als erreicht angesehen wurde. Allerdings ohne Überschreitung der groben Fahrlässigkeit.

Pflichtverletzungen:
Das Prüfgebiet “Forderungen aus Lieferungen und Leistungen” ist von den Beklagten zutreffend als wesentlich eingestuft worden. Dennoch wurden keine Saldenbestätigungen bei den wesentlichen Debitoren eingeholt (Coverage lag nur bei 9,8%).
Erfolgt auf die Anforderung einer Saldenbestätigung kein Rücklauf oder wird auf eine Anfrage verzichtet, weil mit einem Rücklauf nicht gerechnet wird, muss der WP sich auf andere Weise Sicherheit verschaffen, z.B. durch Prüfung der Rechnung und der Auftragsunterlagen.
Es erfolgte eine unzureichende Prüfung des internen Kontrollsystems (IKS). Des Weiteren lag keine Dokumentation des IKS vor.

Beispiel Vorsatz
BGH vom 12.03.2020, VII ZR 236/19, DStRE 2021, 60:

Ein Anspruch eines Anlegers aus §826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen einen Wirtschaftsprüfer kommt in Betracht, wenn der in einem Wertpapierprospekt enthaltene Bestätigungsvermerk nicht nur unrichtig ist, sondern der Wirtschaftsprüfer seine Aufgaben nachlässig erledigt, zum Beispiel durch unzureichende Ermittlungen oder durch Angaben ins Blaue hinein und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die angesichts der Bedeutung des Bestätigungsvermerks für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint.

Außerhalb der Pflichtprüfungen bleibt es unverändert bei der Möglichkeit die Haftung für alle Fälle der Fahrlässigkeit auf € 4,0 Mio. zu begrenzen, sofern Versicherungsschutz besteht und mindestens eine entsprechende Versicherungssumme von € 4,0 Mio. vorgehalten wird.

Ab wann sollte Ihr Versicherungsschutz an das FISG angepasst werden?

Die geänderten Vorschriften für gesetzlich vorgeschriebene Jahresabschlussprüfungen gelten für nach dem 31.12.2021 beginnende Geschäftsjahre, somit für das zu prüfende Geschäftsjahr 2022 und für alle anschließenden Pflichtprüfungen nach § 323 HGB. In der Praxis wird zum Teil vertreten, Wirtschaftsprüfer, die gesetzlich vorgeschriebene Abschlussprüfungen durchführen, sollten ihren Versicherungsschutz möglichst frühzeitig an die neue Haftungssituation anpassen. Andererseits wird vertreten, dass es für die Anpassung des Versicherungsschutzes an die geänderten Haftungsmaßstäbe ausreicht, wenn dies erst ab 01.01.2023 geschehe, weil erst im Jahr 2023 haftungsbegründende Prüfungshandlungen für Jahresabschlüsse 2022 (also den Zeitraum 1.1.2022 bis zum 31.12.2022) betreffend effektiv gesetzt werden können. Unserer Auffassung nach kommt es entscheidend auf den Zeitpunkt der Bestellung des Wirtschaftsprüfers als gesetzlichen Abschlussprüfer für das relevante Prüfungsjahr an. Diese Bestellung (Wahl) des Abschlussprüfers muss nicht zwingend immer vor Beginn des Prüfungsjahres erfolgen (Bestellung spätestens vor Ablauf des Geschäftsjahres, das zu prüfen ist. s. § 318 HGB). Unseres Erachtens können ab dem Zeitpunkt der Bestellung bzw. Wahl des Abschlussprüfers und sodann mit dem Abschluss des Prüfauftrages Pflichten aus dem Prüfmandat erstmalig entstehen. Dies etwa im Zusammenhang mit der Ausübung der Redepflicht durch den Abschlussprüfer gem. § 321 HGB (s. zum Haftungspotenzial des Wirtschaftsprüfers bei Nichtausübung der Redepflicht bereits unseren Newsletter 12/2021, S. 8−10). Spätestens also mit Bestellung (Wahl) zum Abschlussprüfer und dem Abschluss des Prüfmandates sollten alle Wirtschaftsprüfer die Versicherungssummen entsprechend erhöht haben, jedenfalls um dem Versicherer den Kenntnisausschlusseinwand im Schadenfall, der bei einer rückwirkenden Eindeckung möglich ist, entgegenzuwirken.
Bei den so genannten Verweistätigkeiten wurden im FISG nicht überall explizit Übergangsvorschriften bis zum 01.01.2023 eingeräumt. Hier bleibt eine Rechtsunsicherheit, ob die schärferen Haftungsmaßstäbe zumindest teilweise bereits ab 01.07.2021 greifen. Wirtschaftsprüfer, die (auch) sogenannte Verweistätigkeiten ausführen, sollten prüfen, ob für die jeweilige Verweistätigkeit auch eine Übergangsvorschrift bis zum 01.01.2023 gilt. Ansonsten kann der Versicherungsschutz bei den Verweistätigkeiten vorsichtshalber auch bereits rückwirkend zum 01.07.2021 angepasst werden.

Entkopplung des HGB & der WPO

Die Pflichtversicherungssumme für Wirtschaftsprüfer ist nun allein im § 54 Abs. 4 WPO geregelt. Sie beträgt (unverändert) € 1,0 Mio. Die Jahreshöchstleistung muss aber nicht mehr unbegrenzt oft vorgehalten werden, sondern eine Begrenzung auf 4-fach maximiert ist zulässig. Sofern Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mehr als 4 Gesellschafter, Partner und/oder Geschäftsführer haben, muss die Maximierung mindestens in Höhe der Anzahl der Gesellschafter, Partner und Geschäftsführer vorgehalten werden.

Reduktion der unbegrenzten Jahreshöchstleistung bei der Pflichtversicherungssumme?

Die Umstellung der Maximierung ist u.E. zu vernachlässigen, insbesondere bei allen Wirtschaftsprüfern, die höhere Versicherungssummen vorhalten, da der damit verbundene Prämienvorteil überschau bar ist. Weiterhin geben wir zu bedenken, dass die wirksame
Verwendung vorformulierter Haftungsbegrenzungsvereinbarungen an einen ausreichenden Versicherungsschutz gebunden ist. Eine Reduzierung der Jahreshöchstleistung führt u. U. zu einer nicht wirksamen Haftungsbegrenzung bei der Verwendung von AGB und sollte daher gut überlegt sein. Auch die WPK empfiehlt, die Reduktion der Jahreshöchstleistung sorgfältig zu überlegen sowie Vorteile einer moderaten Prämienreduktion mit den Nachteilen einer allenfalls unbegrenzten Haftung abzuwägen (s. WPK-Magazin S. 4/2021 38−39).

Welche Möglichkeiten werden von den Versicherern für einen „FISG“-konformen Versicherungsschutz angeboten?

  • Die Versicherungssumme des Grundversicherungsvetrages wird angepasst/erhöht. Es bleibt somit bei einem Risikoträger und einem Ansprechpartner im Schadenfall. Außerdem steht die höhere Versicherungssumme hier für alle Kanzleitätigkeiten zur Verfügung und nicht nur für die Vorbehaltsaufgaben.
  • Die Erhöhung der Versicherungssumme erfolgt über einen Anschlussversicherer mit einem separaten Vertrag. Der Vorteil liegt in der meist günstigeren Prämie, da der Versicherer im Schadenfall erst dann eintrittspflichtig wird, nachdem die vereinbarte Versicherungssumme des Grundversicherers ausgeschöpft ist. Im Schadenfall haben Sie zwei Versicherer, die den Fall begleiten.
  • Die Anschlussversicherung kann als Ausschnittsdeckung auch nur für die WP-Pflichtprüfungen vereinbart werden.

Mit welchen Kosten ist eine Vertragsanpassung an das FISG verbunden?

Eine generelle Aussage zu den Prämien lässt sich seriös nur sehr schwer treffen.
Sofern Sie mit der bisher weitverbreitend bestehenden Deckung in Höhe von € 4,0 Mio. versichert sind und eine Erhöhung auf € 12,0 Mio. anstreben, gilt folgendes:
Die Erhöhung der Versicherungssumme um das Dreifache führt zu einer Erhöhung der Prämie um ca. 50%-60%. Diese Prämie gilt für die Variante, den gesamten Vertrag und damit alle ausgeübten Tätigkeiten höher zu versichern.
Entscheidet man sich für die zuvor beschriebene „Ausschnittsdeckung“, also die Erhöhung nur für die Vorbehalts-aufgaben, so verringert sich der Zuschlag auf 20%-30%.

Für eine sogenannte Objektdeckungsexcedentenversicherung (Anschlussversicherung nur für den Anteil der Umsätze, die auf die gesetzlichen Jahresabschlussprüfungen entfallen) muss bei einem Umsatz aus Pflichtprüfungen von bis zu € 100.000 mit einer Prämie von € 600 je 1,0 Mio. Versicherungssumme zusätzlich gerechnet werden.

Ist Ihre Berufshaftpflichtversicherung bereits an die neuen Anforderungen durch das FISG angepasst?

Je nach zu prüfendem Unternehmen sollten Sie sich fragen, ob Sie eine höhere Versicherungssumme benötigen.
Wir beraten Sie gerne auch in einem persönlichen Gespräch und begleiten Sie zu einem „FISG-konformen“ Versicherungsschutz.

Was müssen Sie tun?/Was können Sie tun?

Bitte senden Sie das vorbereitete Antwortformular in der Anlage ausgefüllt per E-Mail oder Fax an uns zurück. Wir bitten hierbei um Ihre Angaben, ob Sie im Bereich der Pflichtprüfungen und/oder Verweistätigkeiten tätig sind und welche höhere Versicherungssumme für Sie von Interesse ist.
Wir verhandeln anschließend mit Ihrem Versicherer oder wenn gewünscht auch mit einem so genannten Excedentenversicherer über die Erhöhung der vorhandenen Versicherungssumme zu möglichst günstigen Konditionen.

Zunehmendes Zivil- und Strafrechtsrisiko

Auch wenn die neue Strafrechtsschutzbestimmung gem. § 332 Abs. 3 HGB nur für den Fall der Prüfung von PIE-Unternehmen gilt, wonach bereits eine leichtfertige (also eine grob fahrlässige) fehlerhafte Abschlussprüfung unter Strafdrohung gestellt wird, ist davon auszugehen, dass das zivilrechtliche Haftungsrisiko des Abschlussprüfers bei einem Verstoß gegen § 332 Abs. 3 HGB auf Dritthaftungskonstellationen ausgedehnt wird. § 332 Abs.
3 HGB kann als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden und ggfs. daher auch schon bei grob fahrlässigen, strafbaren Pflichtverletzungen eine deliktische (Dritt-)Haftung ausgelösen (s. dazu Brügge, GI aktuell 1/2022, S. 6 ff.). Des Weiteren ist anzunehmen, dass Staatsanwaltschaften aufgrund entsprechender Strafanzeigen u.a. von Insolvenzverwaltern oder Anlegeranwälten immer früher strafrechtliche Ermittlungen gegen Abschlussprüfer einleiten werden/müssen, denn Insolvenzverwalter und Anlegeranwälte hoffen vermehrt über eine Vorsatzfeststellung zu einer unbegrenzten zivilrechtlichen Abschlussprüferhaftung zu gelangen.

Aus diesem Grund empfehlen wir neben der Wahl ausreichend risikoadäquater Versicherungssummen auch zu prüfen, ob das damit verbundene Strafverfahrenskostenrisiko, das bis zu sechsstelligen Kostenbeträgen reichen kann, nicht durch eine spezielle Strafrechtsschutzversicherung abgedeckt werden sollte. Gerne schaffen wir auch hierzu Markttransparenz.