Kanzleiwechsler, Honorargestaltungsfragen und KI-Anwendung in Anwaltskanzleien
Zu diesen Fragen diskutierte am 4. vLuB Risk Forum unser Geschäftsführer Dr. Hermann Wilhelmer gemeinsam mit Frau RA Dr. Alla Drößler, Director Legal & Compliance bei Hengeler Mueller, und mit Frau RA Mag. Marguerita Sedrati-Müller, Legal Tech & Innovation Expert bei Schoenherr Attorneys at Law in Wien.
Frau Dr. Drößler betonte nicht nur das Erfordernis der behutsamen und verhältnismäßigen Auslegung der einschlägigen Berufsrechtsnormen (§§ 43a, 45 BRAO), um zu angemessenen Ergebnissen zu kommen. Kritik äußerte Frau Dr. Drößler auch an der sehr restriktiven Regelung zur Vorbefassung von Richtern, Staatsanwälten sowie von wissenschaftlichen Mitarbeitern, womit berufliche Chancen unverhältnismäßig eingeschränkt werden. Insofern bestehe, auch nach Ansicht des DAV, Gesetzesänderungsbedarf. Interessant war in der Diskussion, dass die Sozietätserstreckung der §§ 43a und 45 BRAO ein Spezifikum des deutschen Berufsrechts ist, das es in Österreich nicht gibt. Andererseits ist das Schweizer Berufsrecht noch strenger als das deutsche, das nicht nur zum Ausschluss der Bearbeitung konkreter Mandate führt, sondern auch zum Ausschluss ganzer Mandantenbeziehungen.
Die beiden Entscheidungen EuGH v 12.1.2023 – C 395/21 sowie BGH v 12.9. 2024 – IX ZR 65/23 gaben zudem Anlass, über die Honorarvereinbarungspraxis in Anwaltskanzleien zu diskutieren. Vergütungsvereinbarungen, insbesondere hinsichtlich Zeithonorare, sind nach diesen Gerichtsurteilen nicht per unzulässig, allerdings bedarf es bestimmter Transparenzerfordernisse und – bei Verbrauchern – eine regelmäßige Übersendung von Rechnungen und Aufstellungen der Arbeitsstunden, um Honoraransprüche effektiv durchsetzen zu können.
Im abschließenden Teil des Panels ging es um die konkrete KI-Anwendungspraxis in Anwaltskanzleien, zu der vor allem Frau Sedrati-Müller spannende Insights lieferte. Der KI-Anwendungsbereich ist hoch dynamisch und ein aktueller Dauerbrenner in Anwaltskanzleien. Hinzu kommt – mit Blick auf Art 4 der KI-VO der EU – das Erfordernis der Sicherstellung entsprechender KI-Kompetenz der Anwender (der Rechtsanwälte und Associates). Auch unterschiedliche Service-Level-Agreements helfen zur Externalisierung spezifischer KI-Risiken und dienen der Einhaltung anwaltlichen Berufsrechts, etwa der Vorgabe der Überprüfung und Letztkontrolle von KI-Arbeitsergebnissen. Die Erörterung der Haftung und Fragen des Versicherungsschutzes von KI-Anwendungen in der Berufshaftpflichtversicherung rundeten das Panel ab.