LG Bremen Urteil 09.09.2022, 4 O 2229/19

Der Briefbogen ist ein wichtiges Aushängeschild einer Anwaltskanzlei. Um eine sogenannte Scheinsozietät zu vermeiden, müssen Anwaltskanzleien sicherstellen, dass ihre Briefbögen, aber auch ihre Kanzleischilder, Visitenkarten, Internetauftritte und andere Dokumente klar und eindeutig anzeigen, wer angestellter Rechtsanwalt oder Sozius und Partner ist.

Ein Urteil des LG Bremen vom 09.09.2022, 4 O 2229/19 verdeutlicht, dass allein aus der Bezeichnung eines Rechtsanwalts als „Inhaber“ für den Mandanten nicht hinreichend deutlich wird, dass die anderen Rechtsanwälte angestellt sind. Letztere sind aus Sicht des Mandanten als Scheinsozien anzusehen.

In dem Urteil des LG Bremen war die Klägerin der Ansicht, der beklagte Rechtsanwalt habe seine anwaltliche Pflicht verletzt. Dieser wandte ein, er sei nicht passivlegitimiert und es sei nur ein Anwaltsvertrag mit dem Kanzleiinhaber, für den er tätig war, und kein Einzelmandat mit ihm zustande gekommen. Das LG Bremen verurteilt den Beklagten zu Schadenersatz mit der Begründung, dass er als sogenannter Scheinsozius aus dem mit der Kanzlei geschlossenen Anwaltsvertrag mitverpflichtet worden sei.

Grundlage des Urteils war der Umstand, dass der Beklagte auf dem Briefkopf der Kanzlei neben zwei anderen Rechtsanwälten unter dem Titel „Rechtsanwälte“ aufgeführt und nicht klargestellt wurde, dass er angestellt war. Nach außen hin wurde der Eindruck erweckt, dass es sich um mehrere Rechtsanwälte handelte, die sich zu einer Sozietät zusammengeschlossen hatten. Die Tatsache, dass ein anderer Rechtsanwalt als „Inhaber“ bezeichnet wurde, vermittelte nach Auffassung des LG Bremen lediglich, dass der genannte Inhaber Namensgeber oder Gründer bzw. Eigentümer der Kanzlei ist und nicht, dass die anderen Rechtsanwälte angestellt waren.

Gefährlich ist das von der Kanzlei gewählte Konstrukt deshalb, weil der angestellte Anwalt, der nach außen hin wie ein Sozius geführt wird und so agiert, haftungsrechtlich als „echter“ Sozius behandelt wird (BGH, Urteil vom 21.07.2011 – IV ZR 42/10).

Sozien und Scheinsozien haften für Sozietätsverbindlichkeiten analog § 128 HGB ohne Rücksicht auf das tatsächlich bestehende Innenverhältnis der Kanzlei. Das gemeinschaftliche Auftreten nach außen verpflichtet auch bei Fehlen einer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit alle gesamtschuldnerisch als Haftungsschuldner gegenüber dem Mandanten. Der Mandatsvertrag kommt nach Rechtsscheingrundsätzen mit allen Sozien und Scheinsozien zustande. Für den Mandanten ist nicht entscheidend, was sich konkret aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, d.h. wer tatsächlich Gesellschafter ist.

Werden etwa angestellte Rechtsanwälte einer Bürogemeinschaft nach außen hin als (Schein-) Sozien ausgewiesen, haben die Rechtsanwälte nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht für den auf diese Weise gesetzten Rechtsschein als Scheinsozietät zu haften (OLG Hamm – 02.03.2006 – 28 U 135/05).

Um einer Anscheinshaftung entgegenzuwirken, muss der Außenauftritt, insbesondere der Briefkopf, Briefbogen und Internetauftritt eindeutig gestaltet werden.

Für Berufsausübungsgesellschaften besteht im Hinblick auf Scheinsozien oder Scheinpartner zudem die Gefahr, dass wegen der Vereinbarung einer zu geringen Jahreshöchstleistung in der gesellschaftsbezogenen Berufshaftpflichtversicherung die Begrenzung auf das Gesellschaftsvermögen nicht greift, sondern es zu einer persönlichen Haftung der Sozien oder Partner kommt.

§ 59n Abs. 3 BRAO i.V.m. § 59o Abs. 4 BRAO stellt klar, dass die Gesellschafter persönlich gegenüber dem geschädigten Mandanten für den ggf. fehlenden Versicherungsschutz haften.

Wir empfehlen daher, in deckungsrechtlicher Hinsicht vorzusorgen und den Versicherungsschutz entsprechend zu gestalten. Aus der Praxis wissen wir, dass angestellte Rechtsanwälte in der Regel für nur geringfügige Prämienzuschläge wie ein Sozius oder Partner versichert werden können. Gerne beraten wir Sie zu dieser Thematik und passen Ihren Versicherungsschutz an.

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Lubow Licata

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