Compliance-Pflichten der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften – Notwendigkeit einer Kanzleimanager-D&O

Seit der großen BRAO-Reform vom 01. August 2022 sind anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften (BAG) selbst Berufsrechtssubjekt und damit zur Einhaltung des anwaltlichen Berufsrechts verpflichtet. Dies hat zur Folge, dass die BAGen auch anwaltsgerichtlichen Sanktionen ausgesetzt sein können, resultierend aus § 59e Abs. 2 BRAO (Sicherstellung der Erfüllung der Berufspflichten durch geeignete Maßnahmen) und § 113 Abs. 3 Nr. 2 BRAO (Ahndung einer Pflichtverletzung). Die BRAO verzichtet an dieser Stelle auf die Nennung konkreter Maßnahmen, um Verstöße gegen das Berufsrecht frühzeitig zu erkennen und abzustellen. Sie zeigt lediglich die Compliance Grundverpflichtung auf. Die Konkretisierung der berufsrechtlichen Compliance hat die Bundesrechtsanwaltskammer mit Beschluss vom 08. Mai 2023 durch die Einführung eines neuen § 31 BORA „Maßnahmen zur Einhaltung des Berufsrechts“ übernommen. Dieser trat am 01.10.2023 in Kraft.

Er regelt die Compliance Pflichten der BAG, durch die die Einhaltung des Berufsrechts (auch durch einzelne Mitglieder der BAG) gewährleistet und sichergestellt werden soll.

Die Grundlage für die Definition von geeigneten Compliance-Maßnahmen, die Risikoanalyse, findet sich in § 31 Absatz 1 BORA:

§ 31 Absatz 1 BORA

„Berufsausübungsgesellschaften haben laufend ihre konkreten Risiken für Berufsrechtsverstöße zu ermitteln und zu bewerten, insbesondere solche, die sich aus ihrer Zusammensetzung und Organisationsstruktur, ihren Tätigkeitsfeldern sowie ihren Mandaten ergeben.“

In § 31 Absatz 2 BORA werden in Frage kommende Maßnahmen beispielhaft – also nicht abschließend – aufgelistet:

§ 31 Absatz 2 BORA

„Auf Basis der Risikoanalyse nach Absatz 1 stellen Berufsausübungsgesellschaften durch geeignete Maßnahmen sicher, dass berufsrechtliche Verstöße verhindert oder zumindest frühzeitig erkannt und abgestellt werden. Geeignete Maßnahmen können insbesondere sein:

  • die Bestellung einer oder eines Berufsrechtsbeauftragten;
  • berufsrechtliche Schulungen;
  • elektronische Systeme zur Vermeidung von Interessenkollisionen;
  • die elektronische Überwachung von Anderkonten zur Sicherstellung der Verpflichtungen nach § 4 BORA;
  • eine interne Hinweismeldestelle für berufsrechtsbezogene Beschwerden.“

Im Folgenden ordnet § 31 Absatz 3 BORA für BAG mit regelmäßig mehr als 10 Berufsträgern (Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) Dokumentationspflichten an. Dies bedeutet im Umkehrschluss die Freistellung von Dokumentationspflichten für Kanzleien mit bis zu 10 Berufsträgern:

§ 31 Absatz 3 BORA:

„In Berufsausübungsgesellschaften mit regelmäßig mehr als 10 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten oder anderen Angehörigen eines in § 59c Absatz 1 Satz 1 BRAO genannten Berufs sind die Risikoanalyse nach Absatz 1 und die getroffenen Maßnahmen nach Absatz 2 zu dokumentieren, die Dokumentation ist spätestens alle zwei Jahre zu aktualisieren.“

Was bedeutet der neue § 31 BORA für die Praxis einer (Groß-)Kanzlei, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Haftung?

Zunächst zeigt die Regelung deutlich, dass Compliance auch für die rechts- und wirtschaftsberatenden Berufe ein immer wichtigeres Thema werden wird. Die Überprüfbarkeit von Regelkonformität wird einfacher und transparenter und damit einhergehend auch die Haftbarmachung bei Verstößen.

Rechtsanwälte haben nunmehr im laufenden Betrieb sicherzustellen, dass die Grundsätze des Berufsrechts regelmäßig reflektiert werden und deren Einhaltung bzw. das System zur Durchsetzung der anwaltlichen Grundpflichten (vor allem Schweigepflicht, Interessenkollision, Vorbefassung und Fremdgeld) dokumentiert wird.

Wird eigens ein interner Berufsrechtsbeauftragter für diese Aufgabe eingesetzt, ist sicherzustellen, dass er fachlich geeignet und organisatorisch so aufgestellt ist, dass er die Aufgaben auch angemessen wahrnehmen kann.

In den größeren Kanzleien sind bereits häufig Office Manager für die Organisation und Verwaltung des Bürobetriebs angestellt.

Aber nicht nur durch die BRAO-Reform, sondern auch durch die generell wachsenden Compliance-Anforderungen erhöht sich das persönliche Haftungsrisiko des Kanzleimanagements kontinuierlich: aktuelle Themen wie z.B. Digitalisierung, IT-Sicherheit, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und Datenschutz bringen eine erhöhte Komplexität und Fehleranfälligkeit mit sich. Die Frage eines Organisationsverschuldens wird sich damit künftig immer häufiger stellen.

Die Funktionsträger sind somit einem erheblichen persönlichen Haftungsrisiko ausgesetzt, wenn ihnen bei der Erfüllung der Aufgaben – trotz allen Engagements – Fehler aufgrund Organisations-, Auswahl-, Überwachungs- oder Instruktionsverschulden unterlaufen, die bei der Kanzlei oder Dritten zu einem Vermögensschaden führen.

Schadensfälle aus der Organhaftung, aus Managementfehlern, sind nämlich in der Vermögensschaden Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, da es sich hierbei nicht um einen Drittschaden bzw. Fehler bei der Ausübung der eigentlichen beruflichen Tätigkeit handelt.

Der Kanzleimanager haftet an dieser Stelle mit seinem Privatvermögen.

Zum Schutz vor diesem Risiko bietet sich für Kanzleien der Abschluss einer D&O Versicherung speziell für Kanzleimanager an.

Sie sichert diejenigen Personen finanziell ab, die in Kanzleien leitende, organisatorische, überwachende und administrative Aufgaben wahrnehmen und dabei Vermögensschäden vor allem zu Lasten der Kanzlei verursachen können.

Dazu gehören u.a. gegenwärtige, ehemalige und künftige Kanzleimanager, Office Manager, Geschäftsleitungs- und Aufsichtsorgane, wie auch leitende Angestellte, Prokuristen, Compliance-Beauftragte und Familienmitglieder der versicherten Personen.

Die Kanzleien selbst profitieren ebenfalls, indem sie den mit wichtigen Aufgaben betrauten Personenkreis schützen und damit Risikovorsorge und Fürsorge leisten und ggf. auch eine höhere Bereitschaft zur Übernahme dieser Aufgaben erreichen können.

Gerne beraten wir Sie zu den am Markt erhältlichen D&O Produkten für Kanzleimanager.

Versicherungsfachmann (BWV)

Frank Dahle

+49 (0)40 3009265-22
f.dahle@vlub.de

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