Beschluss 24.11.2022, IX ZB 11/22

Der BGH hatte in einem aktuellen Fall über die Beschwerde eines anwaltlichen Insolvenzverwalters zu entscheiden, der vor dem Insolvenzgericht gegen eine Vergütungsfestsetzung vorging.

Der Rechtsanwalt war zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden und beantragte die Festsetzung seiner Vergütung für seine Tätigkeit beim Insolvenzgericht. Als das Insolvenzgericht die Vergütung deutlich niedriger festsetzte, als beantragt, legte er gegen den am 21.12.2021 zugestellten Beschluss am 4.1.2022 per Fax und im Original Beschwerde beim Insolvenzgericht ein.

Dieses akzeptierte die Beschwerde in dieser Form jedoch nicht, sondern wies den Insolvenzverwalter darauf hin, dass er zu einer elektronischen Einreichung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) verpflichtet sei.

Der Anwalt war der Auffassung, dass er in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter zur Nutzung des beA nicht verpflichtet sei.

Das LG Landau wies die entsprechende Beschwerde des Insolvenzverwalters ab. Und auch dessen Rechtsbeschwerde zum BGH blieb erfolglos:

Der BGH schloss sich der Auffassung des LG an, wonach der Insolvenzverwalter als zugelassener Rechtsanwalt gemäß § 130 d ZPO in Verbindung mit § 4 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO) verpflichtet sei, den elektronischen Rechtsverkehr bei der Korrespondenz mit den Gerichten zu nutzen. Die Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs gelte für den Rechtsanwalt auch dann, wenn er im Insolvenzverfahren Rechtsmittel einlegt.

Der BGH lehnte das zum Teil in der Literatur verwendete Argument ab, dass es im entschiedenen Fall zu einer Ungleichbehandlung gegenüber dem nichtanwaltlichen Insolvenzverwalter komme, der keine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs habe.

Denn, so der BGH, die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs bringe für den Rechtsanwalt keinen Nachteil mit sich, da er sowieso die entsprechenden technischen Möglichkeiten gemäß § 31a BRAO vorhalten müsse. Auch für eine einschränkende Auslegung sah der BGH keinen Anlass. So hatte der Insolvenzverwalter argumentiert, dass § 130d ZPO nur für die Vertretung einer Partei im gerichtlichen Verfahren gelte und zum Beispiel nicht, wenn der Rechtsanwalt sich selbst vertrete.

Schließlich verweist der BGH auch auf die Gesetzesbegründung, die von einer umfassenden Verpflichtung zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs ausgehe. Das Bestreben des Gesetzgebers, den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz möglichst weitgehend durchzusetzen, um eine schnelle und effiziente Kommunikation mit den Gerichten sicherzustellen, führe auch dazu, die Vorschriften grundsätzlich auf alle Rechtsanwälte und ihre Tätigkeiten anzuwenden.

Weiter besäßen auch die wenigen nichtanwaltlichen Insolvenzverwalter über das neue elektronische Bürgerpostfach (EBO) die Möglichkeit, elektronisch mit den Gerichten zu kommunizieren. Ab 1.1.2024 bestehe für sie sogar eine passive Nutzungspflicht „zur Ermöglichung elektronischer Zustellungen der Gerichte“.

An die Zulassung als Rechtsanwalt statt an die Rolle im konkreten Prozess haben Gerichte bereits in einigen anderen Fällen angeknüpft:

So hat etwa das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm einen bei einem Arbeitgeberverband tätigen Syndikusrechtsanwalt verpflichtet, den elektronischen Rechtsverkehr zu nutzen, wenn er als Syndikusrechtsanwalt gegenüber einem Gericht auftritt, (Beschl. v. 27. 9. 2022, Az. 10 Sa 229/22). Auch das LAG verwarf das Argument, dass der Verband als solches nicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs verpflichtet sei.

Reicht ein Berufsträger, der (zumindest auch) als Rechtsanwalt zugelassen ist, einen bestimmenden Schriftsatz bei einem Finanzgericht ein, ist dieser unbeachtlich, wenn er nicht über das beA eingereicht wird und Hinderungsgründe nicht glaubhaft gemacht sind (vgl. FG Rheinland-Pfalz, BRAK-Mitt. 2022, 352).

Ein Rechtsanwalt ist auch dann gem. § 52d S. 1 FGO verpflichtet, einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als elektronisches Dokument an das Finanzgericht zu übermitteln, wenn er zusätzlich als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zugelassen ist (vgl. FG Berlin-Brandenburg, BRAK-Mitt. 2022, 165 mit Anm. von Seltmann).

Ein Verbraucherinsolvenzantrag in Papierform kann von einem Rechtsanwalt nicht als „Bote“ formwirksam eingereicht werden. Die Nutzungspflicht des beA ergibt sich bereits aus der Eigenschaft als Rechtsanwalt (vgl. AG Ludwigshafen, BRAK-Mitt. 2022, 280).

Hiervon abweichend hat das VG Berlin (BRAK-Mitt. 2022, 236) entschieden, dass ein Rechtsanwalt, der in einer eigenen Angelegenheit gerichtlich tätig wird, nur dann zur elektronischen Einreichung von Schriftsätzen verpflichtet ist, wenn er explizit als Rechtsanwalt auftritt.

Wer also als Rechtsanwalt zugelassen ist und sich in dieser Eigenschaft betätigt, der muss damit rechnen, dass von ihm grundsätzlich die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs verlangt wird.

Sich auf den Standpunkt zu stellen, in der Eigenschaft etwa als Insolvenzverwalter oder als Vertreter eines Arbeitgebers sei man nicht verpflichtet, elektronisch mit den Gerichten zu kommunizieren, ist nicht zielführend.

Festzuhalten bleibt also, nach der jungen, aber mittlerweile gefestigten Rechtsprechung:

Wer als Rechtsanwalt den elektronischen Rechtsverkehr nicht nutzt, riskiert ganz erhebliche Haftungsprobleme.

Versicherungsfachmann (BWV)

Frank Dahle

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Frank Dahle

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