Nach einer Reihe von BGH-Urteilen zum Legal Tech – Inkasso (siehe zuletzt zur Zulässigkeit von sogenannten „unechten Sammelklagen“, Urteil vom 13.07.2021, II ZR 84/20), hat der BGH nun über die Zulässigkeit des Smartlaw – Vertragsgenerators des Verlags Wolters Kluwer entschieden, Urteil vom 09.09.2021, I ZR 113/20.

Bei „smartlaw“ handelt es sich um eine Software zur Erstellung von Verträgen und anderen Rechtsdokumenten in verschiedenen Rechtsgebieten, die Unternehmen und Verbraucher online erwerben können. Der Vertragsgenerator fragt den Gegenstand, den Inhalt und die beabsichtigte Reichweite des gewünschten Dokuments in einem strukturierten Prozess ab. Anhand der vom Kunden gegebenen Antworten werden aus einer Sammlung von entsprechend zugeordneten Textbausteinen Vertragsklauseln oder Textpassagen generiert, aus denen ein individueller Vertragsentwurf erstellt wird. Im Anschluss an die Dokumenterstellung werden allgemeine Hinweise und Empfehlungen zur Verwendung des Dokuments erteilt. Die Frage-Antwort-Systeme und die Textbausteine von „smartlaw“ wurden in Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten entwickelt.

Gegen das Angebot des juristischen Fachverlags hatte die Hamburger Rechtsanwaltskammer geklagt und argumentiert, dass der Vertragsgenerator als unerlaubte Rechtsdienstleistung gegen § 3 RDG verstoße.

Durch die softwarebasierte Vertragserstellung werde eine individuelle Rechtsberatung im Einzelfall geboten, die aber der Anwaltschaft vorbehalten sei, so die Klägerin. Das von Wolters Kluwer betriebene Smartlaw-Angebot gehe weit über eine Klausel– und Formularsammlung hinaus. Zwar sei der Vertragsgenerator weniger individuell, als die Beratung durch einen Rechtsanwalt. Dies sei dem Kunden aber regelmäßig nicht bewusst.

Der BGH hat sich dieser Argumentation nicht angeschlossen und ist davon ausgegangen, dass der Vertragsgenerator keine Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG ist.

Die Erzeugung eines Vertragsentwurfs über das digitale Angebot von Wolters Kluwer stelle zwar eine Tätigkeit des Verlags dar, so der BGH. Es sei für die Annahme einer Rechtsdienstleistung unerheblich, mit welchen technischen Mitteln diese erbracht werde. Eine menschliche oder zumindest mitdenkende Aktivität sei nicht erforderlich. Die Programmierung und Bereitstellung des Vertragsgenerators einerseits und die Erzeugung von konkreten Dokumenten mit dessen Hilfe andererseits könne nicht in eigenständige Vorgänge aufgespalten werden. Vielmehr handele es sich um eine einheitliche Tätigkeit des Verlags im Rahmen des online-Angebots.

Nach Auffassung des BGH wird Wolters Kluwer aufgrund des Smartlaw-Angebots jedoch nicht gemäß § 2 Abs. 1 RDG in konkreten fremden Angelegenheiten tätig.
Die Erstellung des konkreten Vertragsdokuments stelle zwar eine fremde Angelegenheit dar, da der Nutzer dieses für seine persönlichen Zwecke erstelle und die Erstellung des Dokuments in erster Linie den wirtschaftlichen Interesse des Nutzers diene.

Es liege jedoch keine konkrete Angelegenheit im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG vor, da die Erstellung des Dokuments nicht auf einem vom Nutzer unterbreiteten, konkreten Sachverhalt beruhe. Die von Wolters Kluwer eingesetzte Software sei nicht auf einen individuellen, konkreten Fall zugeschnitten, sondern biete Lösungen für im Vorhinein konzipierte, fiktive Einzelfälle eines unbestimmten Personenkreises. Deshalb unterscheide sich der Vertragsgenerator nicht von einem detaillierten Formularhandbuch.

Der Nutzer erwarte auch aufgrund der erkennbaren Arbeitsweise des Vertragsgenerators keine auf seinen persönlichen Fall ausgerichtete Rechtsberatung. Daher gefährde das Smartlaw-Angebot weder den Rechtsverkehr oder die Rechtsordnung, noch führe ein entsprechendes Verbot zu einem verbesserten Schutz der Rechtsuchenden.

Das Smartlaw-Urteil des BGH ist als Einzelfallentscheidung einzuordnen, der ein sehr spezifischer Sachverhalt zugrunde liegt.

Das Verallgemeinerungspotenzial der Entscheidung dürfte niedrig sein. Man wird aus dem Smartlaw–Urteil des BGH wohl nicht ableiten können, dass jegliche Legal Tech – Aktivitäten grundsätzlich nicht als Rechtsdienstleistung im Sinne des RDG zu qualifizieren sind.

Sofern zum Beispiel eine Rechtsanwaltskanzlei ihre Mandantin im Hinblick auf eindeutig definierte Fallgruppen softwarebasiert eine Rechtsberatung oder Vertragsgestaltung zukommen lässt, dürfte es durchaus in Betracht kommen, dies als Rechtsdienstleistung gemäß § 2 Abs. 1 RDG einzustufen.

Im Hinblick auf die Berufshaftpflichtversicherung von Rechts-anwälten stellt sich immer die Frage, ob diese bezüglich eventueller Legal Tech-Aktivitäten Versicherungsschutz bietet, oder ob zusätzlich der Abschluss einer eigenständigen IT-Haftpflicht-versicherung vonnöten ist. Hinsichtlich der sich im Einzelfall stellenden, regelmäßig sehr komplexen versicherungsrechtlichen Fragen beraten wir Sie gerne!

Mitglied der Geschäftsleitung, Prokurist

Ass. iur. Stephan Kohlhaas

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